Die naheliegende Vermutung, dass Neuromarketing eine Verbindung aus Marketing und Neurowissenschaften schafft, ist nur zum Teil richtig. Genau genommen ist sie eher ein interdisziplinäres Forschungsgebiet aus mehreren Wissenschaftszweigen. Dr. Christian Scheier und Dirk Held sehen in ihrem Buch „Wie Werbung wirkt“ Neuromarketing als Schnittstelle zwischen Hirnforschung, Marktforschung, Marketing, Psychophysik, Künstliche Intelligenz, Kulturwissenschaft und Entwicklungspsychologie.
Das Bild des Neuromarketings, in dem Probanden in Kernspintomographen geschoben werden, in denen die Wirkung verschiedener Produkte und Angebote über visuelle, taktile, auditive und olfaktorische Reize getestet wird, ist so gesehen nicht vollständig.
Traditionelle Bereiche aus Marketing, Marktforschung und Psychologie sind nach wie vor wichtig und lehrreich. Die Forscher der jeweiligen Gebiete können auf sehr viele Daten, Auswertungen und Ergebnisse zurückblicken. Mit Hilfe des neurowissenschaftlichen Ansatzes des Neuromarketings können heute jedoch einzelne Thesen gezielt auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Annahmen werden bestätigt oder widerlegt. Allein das macht Neuromarketing extrem wertvoll.
Wie funktioniert Neuromarketing?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein klein wenig ausholen. Die Antwort beginnt dramatisch mit einem Tod; dem Tod des „Homo oeconomicus“, bekannt aus der klassischen Wirtschaftstheorie. Laut der Theorie entscheidet der Mensch anhand einer Kosten-Nutzung-Rechnung, nach wirtschaftlich, rationalen Überlegungen. Das hat sich jedoch als falsch herausgestellt.
Vielmehr basiert jede Entscheidung und damit auch jeder Kaufimpuls fast ausschließlich auf emotionale Reaktionen, die über spezifische Reize ausgelöst werden.
Der Grund dafür wird klar, wenn man sich die Funktionsweise des Bewusstseins vor Augen führt. Scheier und Held sprechen auch vom 40-Bit Bewusstsein. In jeder Sekunde treffen ca. 11 Millionen Bits an Daten im Gehirn ein, die von unseren fünf Sinnen gesendet werden. Davon werden allerdings nur vierzig Bit bewusst registriert. Ein verschwindend kleiner Teil!
Zudem ist das bewusste Denken für das Gehirn energetisch extrem teuer. Während das Unterbewusste lediglich nur 20% der verfügbaren Energie nutzt, verschlingt bewusstes Denken 80%. Weiterhin kommt hinzu, dass das Unterbewusste um ein zigtausendfaches schneller arbeitet als das Bewusste. Kein Wunder also, dass das Gehirn meist auf Autopilot stellt und unbewusst, aber dabei trotzdem extrem effizient, arbeitet.
Wir wollen nicht vergessen, dass die Entwicklung des Bewusstseins immer noch eines der spektakulärsten evolutionären Fortschritte darstellt und uns Menschen in dieser Hinsicht zu einer Besonderheit macht. Nichtsdestotrotz übernimmt das Bewusstsein nur eine sehr kleine Rolle bei unseren täglichen Entscheidungen. Bewusst wird uns das z.B., wenn wir von Bauchentscheidungen sprechen. Plötzlich „wissen“ wir, wofür wir uns entscheiden und schieben es auf Intuition, Gefühl oder Bauch, welche ebenfalls im Gehirn einen Ursprung haben, nur eben nicht im Bewussten. Während wir noch überlegen, verarbeitet das Unterbewusste eine erstaunliche Datenmenge, bei der es um Symbole, Codes, Motive, Kommunikation, Assoziationen, Muster, Gedächtnis und Erfahrung geht.
Neuromarketing setzt genau dort an. Am Ort, wo Entscheidungen in der Regel gefällt werden. Im Unterbewusstsein. Es beschäftigt sich mit der Funktion, Arbeitsweise und Mechanismen des Unbewussten und prüft u.a. anhand von funktionellen Magnetresonanztomographien, welche Reize wo und in welcher Stärke im Gehirn verarbeitet werden, damit diese Daten im Marketing berücksichtigt werden können.